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NORIWARE

Das Schweizer Start-Up «Noriware» von Jessica Farda will für die Umwelt dauerhaft unschädliche Verpackungen machen. Auf der Grundlage schnell erneuerbarer Ressourcen stellen sie nachhaltige Verpackungsfolien her, die innerhalb sehr kurzer Zeit zu Hause kompostierbar sind. Sie sind ein Team von jungen Wissenschaftlerinnen und Unternehmern, die das Potenzial von Meeresalgen erschliessen wollen.

Interview

Jessica Farda

Jahr

2024

Jessica, was hat Dich zur Idee von Noriware gebracht?

Ich stiess bei einer relativ zufälligen Recherche auf die Tatsache, dass Algen ein grosses Potenzial als wiederverwendbares Material in sich bergen. Ich habe deshalb sehr hartnäckig nach einer Anwendung gesucht, welche die Ressource Algen als Grundlage hat. Dadurch, dass Polysaccharide aus der Alge herausgezogen werden können, lassen sich daraus widerstandsfähige Verpackungen herstellen.

Und, hat sich an dieser Vision inzwischen etwas geändert?

Rückblickend muss ich aber sagen: Ich war total naiv. Damals lag es für mich total klar auf der Hand, dass ich mit Noriware die Verpackungsbranche revolutionieren würde. Inzwischen weiss ich, dass es sehr komplex ist,  mit einer neuen Idee auf einem bestehenden Markt disruptiv Einfluss zu nehmen. Dennoch ist unsere Kernvision noch dieselbe: Wir schaffen ein Material, das aus 100 Prozent natürlichen Materialien besteht und wir nutzen dafür Algen, weil sie wahnsinnig schnell wachsen. Wir wollen damit etwas dazu beitragen, dem Klimawandel entgegenzuwirken.​

Wie konntet ihr Unternehmen und Investorinnen für euer Konzept interessieren und begeistern?

Wir kriegen mit Algen Eigenschaften hin, die andere nachhaltige Materialien nicht mitbringen. Noriware ist das einzige Unternehmen, das ein Material auf Maschinen herstellt und dabei keine zusätzlichen Elemente beimischt: Wir stellen ein pures Seawead-Produkt her. Das ist unser USP – und der sticht für Investoren und Interessierte heraus.

Verstehen die Leute euer Konzept ohne Erklärungen?

Nein, man begreift ohne Erklärung überhaupt nicht, was wir machen. Das ist eine grosse Herausforderung für uns, für Noriware. Wir haben unsere erste Website mit einer Kollegin von der HSG in nur drei Tagen kreiert. Wir wollen die vereinfachen und unserem Auftritt einen klaren roten Faden geben. Das fehlt bisher, unser Auftritt ist noch zu chaotisch. Auch wollen wir das Produkt selbst zeigen: die Verpackung. Die Leute müssen sich vorstellen können, dass wir aus Algen eine wirklich Alternative zu Plastik schaffen. Das lässt sich auch visualisieren. Kurzum: «Packaging nature loves.»

Wie seid ihr an das Branding von Noriware herangegangen?

Ehrlich gesagt ist vieles von unserer Kommunikation sehr willkürlich zustande gekommen. Sehr früh habe ich einen LinkedIn Post geschaltet, mit dem ich viele Leute erreichen wollte. Davon gingen wir dann aus – dahinter lag nicht viel durchdachte Strategie. Ich wollte einfach loslegen. Und irgendwie kam in der Folge eins zum anderen.

Wie sticht man als Unternehmen, vor allem als junges Unternehmen mit einem neuartigen Produkt heraus?

Ich will immer Fragen stellen. Das mache ich ohnehin – auch mir selbst. Und zwar auf eine Art und Weise, dass es die Leute neugierig macht, dass es sie zum Innehalten anregt. Und kurz müssen die Beiträge sein, nur wenige Abschnitte umfassend.

Sonst lesen es die Leute nicht, davon bin ich überzeugt. In einer einfachen Sprache, catchy und zeitgemäss. 

Wird das nicht einfach völlig oberflächlich?

Doch, diese Gefahr besteht. Es muss natürlich solides Know-How hinter den Aussagen stehen. Egal wie catchy sie sind. Yaël Meier zum Beispiel, ist gut darin, mit völlig übertriebenen Aussagen zu provozieren. Ihre Intention dahinter ist es, das Narrativ zu kontrollieren. Sie weiss genau, was die Tageszeitungen daraufhin schreiben werden, in welche Richtung die Reaktionen darauf gehen werden. Das kann auch eine Strategie sein.

Einprägsame Catch-Phrases rauszuhauen ist das Eine, aber welche Aspekte waren für Eure Investoren ausschlaggebend dafür, dass sie ihr Vertrauen und ihr Kapital in Noriware gesteckt haben?

Unsere Investoren haben uns und unser Unternehmen aus vier Perspektiven analysiert: Unser Hauptinvestor versteht Menschen und kann sie gut einschätzen. Er selektiert basierend auf seiner Intuition und hat mich als Gründerin unter die Lupe genommen, den Faktor Mensch also. Seine Strategie ist es, in Menschen zu investieren. Sein Partner hat unsere Finanzen angeschaut und die Opportunität. Ein Dritter hat sich unser Branding angeschaut. Und zu guter Letzt wurde natürlich auch die Technologie selbst eingehend geprüft. Was bei mir in Punkto Branding hängengeblieben ist, war folgender Input vonseiten Investoren: Noriware muss mit seinem Storytelling Konsumentinnen dazu bewegen, dass sie bei der Art und Weise wie sie konsumieren, Druck auf die Unternehmen machen, bei denen sie einkaufen. Und zwar dahingehend, dass sie ihre Produkte in Plastik-freien Verpackungen konsumieren möchten. Das ist einfacher gesagt als getan.

War es ein Problem, dass Du als Gründerin in einem Wissenschaftlichen Umfeld keinen PhD hattest?

Zum Einen ja. Gleichzeitig war es aber auch ein Plus, dass ich aus dem Bedürfnis einer Konsumentin heraus zu entwickeln begonnen habe und nicht in der Isolation eines Labors. Zu zeigen, dass wir in wissenschaftlicher Hinsicht professionell unterwegs sind, ist aber wichtig, um das Produkt selbst glaubwürdig zu machen und um zu zeigen, dass wir seriös Forschung betreiben und Fortschritte erzielen. Inzwischen ist das mit der Glaubwürdigkeit einfacher, wir haben ein Patent angemeldet auf unser Herstellungsverfahren, wir arbeiten mit Hochschulen zusammen, haben Leute mit PhDs im Team. 

Wenn ihr an Endkonsumentinnen kommuniziert – also an eine sehr heterogene Zielgruppe – wie macht ihr das?

Wir kommunizieren über Tageszeitungen, erzählen dort unsere Geschichte, um auf einer emotionalen Eben zu repräsentieren, was wir bei Noriware machen und wieso unser Produkt wichtig für die Umwelt ist. Wir wollen die Leute darüber aufklären, wie viel nachhaltiger der Verpackungsmarkt sein könnte. Und dabei erzählen wir auch meine persönliche Story: Sie vermittelt, dass die Herstellung von Algenplastik eigentlich sehr viel einfacher ist, als es im ersten Moment scheint. Jeder kann aus Algen eine Verpackung werden lassen. 

Wie vermarktet ihr euch bei potentiellen zukünftigen Angestellten? Was ist die Motivation eurer Angestellten?

Viele sagen, sie wollen in ein Start-Up, weg von der Academia, viele wollen einmal dabei sein, wenn ein Unternehmen von Beginn an aufgebaut wird. Wir haben mit dieser Motivation aber auch viele schlechte Erfahrungen gemacht. Viele erwarten etwas Familiäres und stellen sich die Arbeit bei einem Start-Up primär als aufregend vor. Es ist aber vor allem eines: Sehr tough. Das versuchen wir auch nicht zu verstecken. Jede und jeder von uns muss 100 Prozent seiner Ressourcen geben. Trotzdem kriegen wir für eine Stelle die wir neu ausschreiben in zwei Tagen 200 Bewerbungen.

Wie gehst du mit dem Druck um, der persönlich auf Dir lastet?

Ich versuche in Interviews und bei Auftritten immer sehr transparent zu kommunizieren, dass das, was wir machen, sehr schwierig ist. Dass ich persönlich dafür viel opfere. Und ich lese nie die Kommentarspalte bei Artikeln über mich. Denn ich weiss dass dort viele ihrem Missmut Raum lassen. Wenn eine junge Frau, eine Studentin daherkommt und Einfluss haben will, provoziert das offenbar viele. Ausgelassen wird dieser Missmut dann an mir persönlich. Das brauche ich nicht, der Druck ist ohnehin schon gross genug. 

 

Und innerhalb des Unternehmens, wie kommuniziert ihr da?

Wir haben einmal pro Woche ein Weekly-Meeting, alle zusammen. Das Management hat ein Strategie-Meeting – jede oder alle zwei Wochen. Trotzdem bleibt für das Grosse Ganze wenig Raum. Beständig an der langfristigen Vision zu arbeiten ist schwierig, weil das tägliche Business in der Regel sämtliche Ressourcen frisst. 

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